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Digital Mobile Radio (DMR)

Seit 2006 wird für digitalen Mobilfunk in nichtöffentlichen Funknetzen, vor allem im Betriebsfunk, die Sendeart DMR verwendet. DMR-Relaisstationen lassen sich untereinander vernetzen, und können so große Bereiche abdecken. Da DMR-Geräte leicht erhältlich sind, finden DMR-Funkgeräte auch Anwendung im Amateurfunkdienst. Auf den durch die IGFS betreuten Standorten ist DMR seit 2009 nutzbar.

Grundlagen von DMR

DMR ist die Abkürzung für Digital Mobile Radio, auf Deutsch digitaler Mobilfunk. Mit Mobilfunk ist hier jedoch nicht das bekannte öffentliche Mobilfunk-Telefonnetz gemeint. Vielmehr ist DMR für alle anderen nichtöffentlichen Mobilfunkanwendungen gedacht, zum Beispiel um digitale Funknetze zur Sprach- und Datenübertragung innerhalb eines Betriebes sowie zwischen räumlich entfernten Zweigstellen eines Betriebes aufbauen zu können.

DMR wurde 2006 als Europanorm ETSI EN 300 113 Teil 2 durch das Europäische Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) festgelegt. Diese Norm beschreibt verschiedene DMR-Varianten, welche jeweils für verschiedene Anwendungsbereiche vorgesehen sind. Für Hobbyanwender interessant ist die Variante DMR Tier I, welche im allgemeinzugeteilten und von jedermann ohne vorherige Anmeldung nutzbaren DMR446 (das ist die digitale Variante des analogen PMR-Funks) zur Anwendung kommt. Für Funkamateure hingegen ist die Variante DMR Tier II relevant, welche auch in gewerblichen Betriebsfunknetzen Anwendung findet. Die höchste Ausbaustufe DMR Tier III bezeichnet ein vollwertiges Bündelfunknetz. In einem Bündelfunknetz weisen Site Controller den Endgeräten automatisch die Relaisstellen und Kanäle zu. Das gezielte „Mithören“ von Funkverkehr ist schwierig und das Relais kann nicht mehr frei gewählt werden, daher ist diese Anwendung für den Amateurfunkdienst nicht relevant.

Technische Eigenschaften

Ein DMR Signal belegt einen Kanal mit einer Bandbreite von 12,5 kHz. Der digitale Datenstrom wird durch Frequenzumtastung mit vier Symbolen (4-FSK) auf den Träger moduliert. Dabei liegt die Symbolrate bei 4.800 Symbolen/s. Da bei 4-FSK ein Symbol je zwei it darstellt, ergibt das eine Datenrate von 9.600 Bit/s.

Durch Anwendung eines Zeitmultiplex-Verfahrens (engl. „TDMA“) wird bei Sprechfunkverbindungen der Kanal in zwei Sprachkanäle (genannt „Zeitschlitze“) aufgeteilt. Dabei werden (vereinfacht dargestellt) ca. alle 30 Millisekunden die Daten je eines der beiden Zeitschlitze gesendet. Auf diese Weise ist DMR prinzipiell vollduplex-fähig (siehe Benefits and Features of DMR, S. 18). Im Amateurfunkdienst ist jedoch Halbduplex-Betrieb die Regel, wodurch die beiden DMR-Zeitschlitze für zwei verschiedene Sprachkanäle zur Verfügung stehen.

Berücksichtigt man einen Zuschlag für die Fehlerkorrektur sowie weiteren Überhang des DMR-Protokolls, so steht pro Sprachkanal (Zeitschlitz) eine Datenrate von 2.450 Bit/s zur Verfügung. Um ein bei ca. 3,5 kHz begrenztes digitalisiertes Sprachsignal auf eine so geringe Datenrate komprimieren zu können, wird ein (verlustbehafteter) Audio-Codec benötigt. Prinzipiell hat die ETSI in ihrer Norm nicht festgelegt, welcher Codec für DMR zu verwenden ist. Die Hersteller von DMR-Funkgeräten haben sich jedoch bereits in der Entwurfsphase der Norm darauf geeinigt, dass alle Geräte untereinander kompatibel sein sollen. Zahlreiche Hersteller schlossen sich in der DMR Assosiacion zusammen, welche festlegte, dass in allen DMR-Funkgeräten der proprietäre Sprachcodec AMBE2+ verwendet werden soll.

Wenn zwei Relaisstellen auf gleicher Frequenz senden, können diese an exponierten Standorten gleichzeitig empfangbar sein. Im analogen Betriebs- und BOS-Funk löste man das Problem anfangs durch Tonruf I und Tonruf II, bei neueren Anlagen durch CTCSS/DCS. Im DMR wird die Selektion durch den sogenannten ColorCode erreicht. Der Code ist eine vier Bit lange Zahl, die in jeder Aussendung enthalten ist; somit sind 16 verschiedene ColorCodes möglich. Nur, wenn der ColorCode richtig ist, wird die Aussendung von der jeweiligen Gegenstelle aufgenommen. Theoretisch könnten also 16 Relaisfunkstellen auf derselben Frequenz arbeiten und separat angesprochen werden. Im Amateurfunk setzt man diese Technik sehr sparsam ein, im Regelfall wird ColorCode 1 verwendet. Wenn sich also ein DMR-Relais nicht auftasten lässt, kann die Ursache in einem falschen ColorCode liegen.

Betriebstechnik: Zeitschlitze und Gesprächsgruppen

DMR-Relais sind untereinander vernetzbar. Funkamateure können daher miteinander über DMR kommunizieren, selbst wenn sie sich nicht alle im Einzugsbereich des selben Relais aufhalten. Selbst Verbindungen von einem Kontinent zu einem anderen sind realisierbar. Hierzu erhalten die beiden Zeitschlitze (engl. „time slots“, kurz „TS“) eine besondere Bedeutung: Auf beiden Zeitschlitzen können jewils verschiedene Gesprächsgruppen (engl. „talk groups“, kurz „TG“) aktiviert werden, über welche weitere DMR-Relais in verschiedenen Regionen zugeschaltet werden.

Zeitschlitz 1: Internationaler Betrieb

TS1 ist in der Hauptsache für internationalen Betrieb vorgesehen. Bei Verwendung der TG1 (oder TG 91, siehe unten) weltweit und TG2 (oder TG92) Europa ist zu bedenken: Ein Druck auf die Sprechtaste aktiviert weltweit/europaweit rund 2000 Relais, diese stehen im Zeitraum der Nutzung nicht mehr für nationale Funkgespräche zur Verfügung. Verbindungen auf diesen TGs sollten möglichst in englischer Sprache abgewickelt werden, um den anderen Teilnehmern in anderen Ländern das Mithören zu erleichtern.

Die TG20 (oder TG920) wird in Deutschland, Österreich und die Schweiz verbreitet, die TG262 nur in Deutschland. Diese internationalen und landesweiten TGs sollten daher, wenn sich ein längeres QSO ergibt, wieder frei gemacht werden. Zur Fortführung der Verbindung existieren Tactical Talkgroups und Reflektoren, über die auf einfache Weise Direktverbindungen zwischen zwei oder mehr Relais hergestellt werden können. Man einigt sich auf eine Gruppe oder einen Reflektor und aktiviert diese auf dem eigenen Relais durch PTT-Anforderung: Die gewünschte TG (z.B. TG 110 Deutsch) wird manuell eingegeben und die Sprechtaste gedrückt, daraufhin stellt das Funknetz die gewünschte Gruppe für eine Zeitspanne von zehn Minuten zur Verfügung. Der automatische Trennungs-Countdown wird immer auf die volle Zeit zurückgesetzt, wenn die TG lokal besprochen wird. Auf diese Weise kann jede Talkgroup – auch aus anderen Ländern und Regionen – auf dem Relais verbunden werden.

Zeitschlitz 2: Regionaler Betrieb

TS2 ist in der Hauptsache für regionalen Betrieb vorgesehen. Über die TGs 2620 bis 2629 können zum Beispiel die deutschen Bundesländer angesprochen werden.

Die TG8 dient dem Funkverkehr in Bezirken. Spricht man beispielsweise in Bonn über die TG8, so wird der Ruf im Bezirk Köln verbreitet, ein Ruf über die TG8 in Marl wird im Ruhrgebiet ausgesendet und die TG8 des Olympiaturms wird im Großraum München verbreitet. Ein Ruf auf der TG8 wird immer mit der TG8 beantwortet.

Um ein Übersprechen all dieser Talkgroups zu verhindern, hat jede Talkgroup eine Schutzzeit. Nach dem Ende einer Sprechfunkübertragung erhält die Gegenstelle 15 Sekunden um zu antworten; in diesem Zeitraum ist der Zeitschlitz auf die zuletzt verwendete Gruppe festgelegt.

Fallbeispiel: Auf TS1 TG262 beginnt ein QSO, kurze Zeit später beginnt ein weiteres QSO auf einer internationalen TG. Die Schutzzeit verhindert, dass das internationale QSO das nationale überspricht. Irgendwann wird das QSO auf TG262 beendet und nach 15 Sekunden läuft die Schutzzeit ab. Erst dann wird das QSO auf der internationalen TG hörbar. Im Online-Dashboard von IPSC-Servern lässt sich der Vorgang gut beobachten (siehe unten).

DMR-Vernetzung

Laut Amateurfunkgesetz (AFuG) ist der Amateurfunkdienst „ein technisch-wissenschaftlicher Funkdienst, der von Funkamateuren untereinander, zu experimentellen und technisch-wissenschaftlichen Studien […] betrieben wird“ Dies wird besonders in der Sendeart DMR sichtbar. Funkamateure verbinden ihre DMR-Relais über Server im Internet und im HAMNET zu großen Netzwerken. Hierzu wird mit verschiedene Technologien und Netzwerktopologien experimentiert.

1. DMR-MARC

Das DMR-MARC-Netz ist das älteste DMR-Netz im Amateurfunkdienst und wurde vom Motorola Amateur Radio Club in den USA gegründet. Der Name folgt daraus, dass in der Anfangszeit die Firma Motorola der einzige Lieferant für DMR-Relais war. Das Netz basiert auf der proprietären Software CBridge der Firma Rayfield. In vielen Ländern bildeten sich Gruppen, die eigene Server betreuen. Die deutsche Gruppe trägt den Namen DMR-DL.

2. DMRPlus

Mit der Markteinführung von Relais und Endgeräten der Firma Hytera ergab sich eine neue Problematik: Alle DMR-Endgeräte sind über die Luftschnittstelle kompatibel, allerdings sieht die ETSI-Norm keine Definition der Kabelschnittstelle vor. Folglich sind Hytera-Relais nicht ohne weiteres mit der bestehenden Motorola-Infrastruktur kompatibel. Torsten Schultze (DG1HT) nahm deshalb die Entwicklung der Vernetzungsplattform DMRPlus auf, die bedingt durch die Marktpreise der Hytera-Relais sehr schnell einen großen Zulauf erhielt. Basierend auf diesem System entstand IP Site Connect 2, zu dessen Gunsten die klassische DMRPlus-Infrastruktur aufgegeben wurde.

3. IP Site Connect 2

Um Hardware aller Hersteller verbinden zu können und netzübergreifende Gespräche zu ermöglichen, wurde IP Site Connect 2 geschaffen. Das System erlaubt es, Hardware der Hersteller Motorola und Hytera, sowie MMDVM-Relaisstellen und Hotspots anzubinden. Ebenfalls sind Verbindungen zu anderen Servern und Infrastrukturen über das OpenBridge-Protokoll möglich. In vielen Ländern, so auch in Deutschland, synchronisieren IPSC2 und Brandmeister (siehe unten) ihre regionalen Gruppen miteinander. IPSC2 verfolgt ein striktes Talkgroup-Modell: Es können nur Talkgroups verwendet werden, die auf der Server-Seite definiert wurden. Dies schränkt zwar die Flexibilität ein, hat aber gleichzeitig den Vorteil, dass sich die Funkamateure in der überschaubaren Anzahl der Talkgroups leichter zu QSOs zusammenfinden.

Auf dem Zeitschlitz 2 kann die Talkgroup mit einem Reflektor verbunden werden. Das Konzept ist vergleichbar mit einer Telefonkonferenz, in der sich alle Teilnehmer gegenseitig hören können. Alle Relais, die mit dem gleichen Reflektor verbunden sind, übertragen auf der TG9 die gleiche Aussendung. Die Reflektoren werden über Direktrufe an die Nummern 4000 („Verbindung trennen“), 4001 bis 4999 („laufende Nummer des Reflektors“) und 5000 („Zustand abfragen“) gesteuert. Dies kommt Funkamateuren entgegen, deren Funkgeräte beschränkte Empfangsgruppenlisten haben. Ein Reflektor kann angesprochen werden, ohne dass seine Nummer in der Liste hinterlegt sein muss.

4. Brandmeister

Parallel zu IPSC2 wurde das Brandmeister-Netz entwickelt. Zielsetzung im Brandmeister-Netz ist es, möglichst viele Schnittstellen zu anderen Digitalbetriebsarten bereitzustellen. Anders als IPSC2 verzichtet Brandmeister auf Reflektoren. Als Alternative werden Cluster angeboten. Hierbei wird eine Talkgroup (zum Beispiel 26245 Rheinland) mit der TG 8 – Rheinland gekoppelt. Aussendungen werden in beide Richtungen übertragen. Dies ermöglicht es – Kenntnis der Gruppennummer vorausgesetzt – Regionen gezielt anzusprechen. Viele regionale Gruppen sind mit anderen Infrastrukturen, wie etwa XLX, Yaesu Fusion, etc. zusammengeschaltet.

Alle diese Plattformen unterscheiden sich in der Lösung technischer Details, und unterliegen als experimentelle Plattformen ständigen Änderungen. Wir empfehlen, für aktuelle Informationen regelmäßig die jeweiligen Dokumentationen und Veröffentlichungen der Betreibergruppen zu lesen.

Registrierung und Datenschutz

DMR wurde für den Betriebsfunk entwickelt, die eindeutige Identifikation jedes Teilnehmers basiert auf Nummern. Die Übertragung von Rufzeichen ist nicht vorgesehen, auch das kürzlich eingeführte „Talker Alias“ erfüllt die Anforderung der Eindeutigkeit nicht. Weil sehr viele Funktionen der DMR-Amateurfunknetze diese eindeutige Zuordnung einer Nummer zum Rufzeichen voraussetzen, ist eine internationale Koordination erforderlich. Die Nummern orientieren sich am Moblie Country Code, kurz MNC. für Deutschland sind die Nummernblöcke 262 bis 265 zugeteilt. Relaisstellen erhalten sechsstellige Nummern, Personen und Clubstationen erhalten siebenstellige Nummern. Für Ausbildungsrufzeichen werden keine Nummern zugeteilt. Funkamateure können unter

radioid.net

eine eindeutige Nummer beantragen. In der Anfangszeit wurden Nummern auf Treu und Glauben vergeben. Mit einer steigenden Anzahl von Nutzern und einer stetig besser werdenden Netzabdeckung mischten sich auch „schwarze Schafe“ unter Verwendung fremder oder erfundener Rufzeichen unter die Neuzugänge. Daher wurde es erforderlich, die Freischaltung deutlich restriktiver zu gestalten. Seitdem ist dem Zuteilungsantrag ein Bild der Zulassung zur Teilnahme am Amateurfunkdienst beizufügen. Anträge mit Bildern des jüngst erworbenen Digitalfunkgeräts, des Haustiers, des Shacks, eines Lehrgangsnachweises für BOS-Digitalfunk, Registrierungsunterlagen von Binnenschiffen und dergleichen werden nicht als Berechtigungsnachweis anerkannt und kommentarlos gelöscht. Entgegen einer scheinbar verbreiteten Meinung werden auch die Zulassungsdokumente von verstorbenen Funkamateuren nicht akzeptiert. Alle Anträge werden von freiwillig tätigen Funkamateuren in deren Freizeit bearbeitet, die erhobenen Daten werden vertraulich behandelt.

Die IGFS nimmt selbst keine Registrierungen vor und erhebt von den Relaisbenutzern keine weiteren Daten. Wenn Sie unsere DMR-Relais nutzen, wird Ihr Rufzeichen allerdings über das Internet übertragen.